In ein bizarres Sitz-Paradies


Einmal im Monat, immer am letzten Freitag um 16 Uhr, öffnet bei freiem Eintritt das Format Open Haus in der Mittelhalle im Haus der Kunst. Gute Gelegenheit für Besucher:innen, die genau dann in den nächsten Monaten in Martino Gampers neuer Installation zum Beispiel sitzen, trinken, Stühle verrücken, nach gewissen Regeln sogar deren Funktionen und Charaktere verändern dürfen – oder auch einfach nur gesellig beisammen lümmeln. Der Südtiroler Designer und Künstler hat – als Artist in Residence – seine Schau mit einer kurzen Performance zwischen Tanz, Pantomime und Wirkungstheater à la Pina Bausch gestern selbst eröffnet. „Sitzung“ ist einerseits ein herrlich buntes Potpourri typisch rustikaler, also scheußlich-schöner alpenländischer Eckvariationen. Und andererseits ein gelungenes Beispiel der neuen partizipativen und sozialeren Ausrichtung des Münchner Ausstellungshauses. Die Stühle hat Gamper extra entworfen und bauen lassen. In verschiedenen handwerklichen und industriellen Verfahren sind sie, teils bei der italienischen Firma Alpi, teils in Gampers Londoner Studio, aus Furnieren und Holzresten hergestellt worden. Sie erinnern einerseits irgendwie an die dramatischen und in Auktionen immer sündteuren Möbel von Carlo Bugatti aus der Zeit um 1900. Und ein bisschen an sperrige Alltagsmöbel aus dem Baumarkt, denen jemand im Überschwang zu viele verschiedene Farben, Formen und Materialien verpasst hat.

Martino Gamper (auf dem Performance-Foto ganz unten der mit weißer Kappe und Blaumann) schließt mit der neuen Installation an sein Werk „100 Chairs in 100 Days“ an, in dem er 2006 damit begann, ausrangierte Stühle umzugestalten. Und das Haus der Kunst kommt mit „Sitzung“ weiter in seiner Bestrebung, sich mit Publikumsausstellungen und Interaktionen vom Bild eines klassischen Kunsttempels zu entfernen. Spannende neue Welt.

Text und Fotos: Alexander Hosch

Martino Gamper. Sitzung, Haus der Kunst, bis 1.4. 24, www.hausderkunst.de