
Rassismus, Kolonialismus, Tierwohl, „Exotik“ – aus vielerlei Gründen blicken wir als Gesellschaft heute skeptischer auf die zoologischen Gärten in unseren Städten als vor hundert Jahren. Aber auch manche Künstler der Moderne – wie der Expressionist Franz Marc – hatten als Besucher im Tierpark schon einen anderen, einen mitfühlenden Blick auf die dort gefangen gehaltenen Geschöpfe. Wenn auch nicht alle. So braucht es in der neuen Ausstellung „Die Moderne im Zoo“ in Kochel am See durchaus die Warnhinweise wegen unangemessener Darstellungen oder auf für Kinderaugen ungeeignete Künstlerbilder etwa von Elefanten, die für die Sensationslustigen von damals zum Handstand gezwungen wurden.
Die aktuelle Schau im Franz Marc Museum, direkt unter dem Alpengipfel Herzogstand in einem herrlichen Park gelegen, versammelt rund 100 Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Grafiken von Alfred Kubin, Emil Nolde, Oskar Kokoschka, Franz Marc (hier sein Gemälde Affenfries), Paul Klee, Renée Sintenis, Paul Meyerheim, Gabriel von Max, August Macke und anderen aus der Zeit von etwa 1880 bis 1940. Sie stellt sie nebst zeitgenössischen Fotografien, Zoo- oder Zirkus-Plakaten zur Diskussion.
Die Ausstellung hat zwei Etagen und sieben Abschnitte (Flanieren im Zoo, Der Großstadtzirkus, Der Paradiesgarten, Tierethik und Naturschutz, Menschelnde Tiere usw.). Die Höhepunkte: Niemand scheint die Regungen der Zootiere so tief nachempfinden zu können wie der Blaue Reiter Franz Marc, dem dieses Museum gewidmet ist. Zu sehen etwa in seinem wunderbaren „Affenfries“ von 1911. Unvergleichlich bis heute bleibt auch der poetische Humor von Paul Klee, dessen Zeichnungen und Aquarelle von Fischen, Vögeln oder Nashörnern der 1920er bis 1940er Jahre von einem überzeitlichen Humanismus durchstrahlt werden. Sowie drittens die kleinen Bronzeplastiken von Renée Sintenis, links unten ein Junges Dromedar nebst einem Baby-Elefanten, beide aus den 1920er Jahren. Nicht nur ihre Miniaturhaftigkeit rührt, die extreme Nahbarkeit und Direktheit der Tierdarstellungen macht diese Kunstwerke zeitlos.
Und so trifft man in der wunderbaren Schau auf zahlreiche großartige Charakterstudien von Lebewesen in ihrem Element, andererseits auf manch grausame Beispiele von Zwang, Zucht und Schaulust. Die besten Künstler sahen indes – wie der Dichter Rilke – auch damals schon den traurigen Blick von Zootieren, die wohl ahnten, dass es hinter tausend Stäben für sie keine richtige Welt gibt. – Eine tolle, anregende und diskussionswürdige Ausflugs-Ausstellung, die man den ganzen Sommer über und bis in den Herbst zum Besuch mit den besten Freunden oder seiner Familie nutzen sollte.
Text und Fotos: Alexander Hosch
„Die Moderne im Zoo“, Franz Marc Museum, Kochel, bis 9. November 2025, www.franz-marc-museum.de. Geöffnet Di bis So und an Feiertagen jeweils 10 bis 18 Uhr, ab November 10 bis 17 Uhr. Das Museum kooperiert mit dem Münchner Tierpark Hellabrunn – es gibt einen Podcast sowie Spezialführungen, Gewinnspiele, Vorträge. – Kochel ist von München stündlich per Zug erreichbar; das Museum liegt zu Fuß dann noch etwa 30 Minuten vom Bahnhof Kochel entfernt.
