Samtenes Gipfeltreffen

Ein Instant-Konzert in München wäre natürlich der Wahninn gewesen. So aber wurde es immerhin eine wunderbare Überraschungsausstellung für das Haus der Kunst, die – nur Stunden vorher angekündigt – am Freitag begann. Im Geheimen vorbereitet, war sie von langer Hand geplant. Pussy Riot stellen genau dort nun bis 2. Februar 2025 im ehemaligen Luftschutzbunker des Ausstellungshauses aus (www.hausderkunst.de). Die allesamt feministischen und queeren Musikerinnen, Aktivistinnen und Künstlerinnen berichten in der Schau voller Farbenfreude und mit handgeschriebenen Wandbotschaften über ihren Velvet Terrorism, also den gewaltfreien Widerstand, der sich gegen Putins Homophobie wie auch gegen Russlands Krieg in der Ukraine richtet. Mit Videos aus Moskauer Kirchen und von Moskauer Dächern, die jetzt zwischen bunten Wänden gezeigt werden. Mit Aktionen, farbigen Masken und Klebestreifen, mit Fotos, mit Installationsgerät und mit Punkmusik protestieren sie. Was immer wieder zu Schlägen und Verletzungen, zu Arresten und Verfolgung der Protagonistinnen führt. Die samtene Rebellion von Pussy Riot gegen Putin, einen der vielen rechten Irren, die zur Zeit die Welt bedrohen, ist für die Mitstreiterinnen seit mehr als einem Jahrzehnt lebensgefährlich – auch wenn die meisten mittlerweile im Ausland leben. Putins Geheimdienstler und Kleptokraten sind aber vermutlich überall. Deshalb war die strikte Geheimhaltung der Münchner Termine bis gestern Mittag notwendig. Abends jedoch fand im vollbesetzten Terrassensaal ein Gespräch von Haus-der-Kunst-Chef Andrea Lissoni mit einigen der Akteurinnen des Kunstkollektivs statt. Widerstand gegen einen russischen Polit-Zombie von heute, im Herzen und im Keller eines Fascho-Tempels von früher – das ist eine doppelte Brechung. Die Überraschung ist gelungen, die Ausstellung sehr gut. Unbedingt hingehen!

© Text & Fotos: Alexander Hosch

In ein bizarres Sitz-Paradies


Einmal im Monat, immer am letzten Freitag um 16 Uhr, öffnet bei freiem Eintritt das Format Open Haus in der Mittelhalle im Haus der Kunst. Gute Gelegenheit für Besucher:innen, die genau dann in den nächsten Monaten in Martino Gampers neuer Installation zum Beispiel sitzen, trinken, Stühle verrücken, nach gewissen Regeln sogar deren Funktionen und Charaktere verändern dürfen – oder auch einfach nur gesellig beisammen lümmeln. Der Südtiroler Designer und Künstler hat – als Artist in Residence – seine Schau mit einer kurzen Performance zwischen Tanz, Pantomime und Wirkungstheater à la Pina Bausch gestern selbst eröffnet. „Sitzung“ ist einerseits ein herrlich buntes Potpourri typisch rustikaler, also scheußlich-schöner alpenländischer Eckvariationen. Und andererseits ein gelungenes Beispiel der neuen partizipativen und sozialeren Ausrichtung des Münchner Ausstellungshauses. Die Stühle hat Gamper extra entworfen und bauen lassen. In verschiedenen handwerklichen und industriellen Verfahren sind sie, teils bei der italienischen Firma Alpi, teils in Gampers Londoner Studio, aus Furnieren und Holzresten hergestellt worden. Sie erinnern einerseits irgendwie an die dramatischen und in Auktionen immer sündteuren Möbel von Carlo Bugatti aus der Zeit um 1900. Und ein bisschen an sperrige Alltagsmöbel aus dem Baumarkt, denen jemand im Überschwang zu viele verschiedene Farben, Formen und Materialien verpasst hat. Weiterlesen