Die Kirche, die in der Felswand sitzt

Und schon wieder dran vorbeigefahren! Entlang der Alpen-Magistralen gibt es überraschende neue Architekturen. Und schöne ältere Bauten, die jeder zu kennen glaubt, obwohl kaum einer je dort angehalten hat. Wir haben sie besucht.   #8

Objekt  Wallfahrtskirche Santuario Madonna Della Corona / Ort  I-37010 Spiazzi/Ferrara di Monte Baldo /  Koordinaten  45°38.967’ N 10°51.383’ O / Bauzeit  Um 1530 / Bau-Grund  Erscheinung einer Pietà  / Aktuelle Nutzung  Wallfahrtsort; täglich Gottesdienste; www.madonnadellacorona.it / Öffnungszeiten  jeden Tag 8-18 Uhr (April bis Oktober 7-19.30 Uhr) / Schönster Augenblick  Frühmorgens, bevor die Touristenbusse kommen

Warum man immer dran vorbeifährt

20 Kilometer südlich Rovereto ist die Kirche von der Autobahn 22 aus bei Peri für Sekunden zu sehen. Wie sie da ganz oben an der Ostflanke des Monte Baldo hell in der Kalksandsteinwand klebt! Unglaublich, denkt man – Gottes Prägestempel, hoch am Berg. Dann drängt schon der Rücken des Monte Cimo herein, die Gedanken wandern wieder an den nahen Gardasee.

Weshalb man nächstes Mal unbedingt hin muss!

Weil dieser Ort schon immer ganz besonders war. Zu heidnischer Zeit fanden hier Kulte statt. Ab 1000 lebten da oben christliche Eremiten. Seit 1437 gab es eine Kapelle und eine Einsiedelei, von der „Commenda der Jerusalemer Ritter“ verwaltet. Für 1522 wird die nächtliche Erscheinung einer Pietà in der Felswand behauptet, umspielt von Musik und blendendem Licht. Der Grund : Die schlimmen Türken hatten gerade das christliche Rhodos besetzt, nun sollten sie an der Renaissance scheitern! Ein Wallfahrtsort war geboren. Arbeiter und Gerät wurden zur eiligen Vergrößerung der Kirche nun per Winde abgeseilt – so wie 1530 auch der Bischof von Verona, der den Neubau besuchte. Später kamen eine Heilige Treppe (Scala sacra), ein Hospiz und immer wieder stattliche Kirchenanbauten dazu – 1540, 1625-80, 1899… Der aktuelle Bau wurde in einem gotischen Stil um 1978 errichtet, als die alte Kirche einzustürzen drohte. Nach Maltesern und Johannitern ist heute die Diözese Verona für das ganze Areal zuständig. Deren Priesterseminar kümmert sich um die Liturgien. Der größte Schatz ist die 70 cm hohe, bemalte Stein-Pietà von 1422 . Sie bildet das Zentrum des in den Fels geschlagenen Altarraums. Die Pietà wird von einer Dornenkrone und fünf Engelsgruppen umgeben. An anderen interessanten Stellen finden sich 167 alte Votivtafeln, eine „Grabstätte der Einsiedler“ in Glasschreinen und die zwischen 1900 und 1915 geschaffenen Carraramarmor-Statuen des Veroneser Bildhauers Ugo Zannoni.

Wie man hinkommt
Diese Perle lässt sich nicht so leicht einsammeln. Von der Ausfahrt Affi an der Gardaseeautobahn sind es 19 km bis Spiazzi. Von da oben erreicht man das Santuario in ¼ Stunde Abstieg entlang eines Bronze-Kreuzwegs. Der Pilgerpfad beginnt dagegen in Brentino in der Rebenlandschaft des Etschtals (Ausfahrt Ala-Avio). Ab da sind es gut 2 Stunden Fußmarsch hinauf bis zum Heiligtum.

(copyright Idee, Text und Fotos: Sabine Berthold & Alexander Hosch)

 

Die bunte Spirale von Rovereto

5b_rovereto3_dsc3590Und schon wieder dran vorbeigefahren! Entlang der Alpen-Magistralen gibt es überraschende neue Architekturen. Und schöne ältere, die jeder zu kennen glaubt, obwohl kaum einer je dort angehalten hat. Wir haben sie besucht.  Straßenrandperle #5

Objekt Spiral-Kunstwerk auf einer Verkehrsinsel / Ort Kreisverkehr (Rotatoria) bei Rovereto Süd, gleich  neben der Autobahn zwischen Trient und Verona, Via per Marco, Trentino, Italien / 5b_rovereto_dsc3589bKoordinaten N 45°51.028’, E 011°00.097’ / Bauzeit 2008 / Bau-Grund Unsere wuchernde Autobahnausfahrts-Ornamentik muss schöner werden! / Aktuelle Nutzung Nur die Ankunft in der Region versüßen / Öffnungszeiten Kein offizieller Zugang – im Prinzip kann man jederzeit in den leeren, offenen Innenraum / Schönster Augenblick Wenn man rundherum fährt und die kleinen Mosaikfliesen vor der Bergwand aufblitzen

Warum man auch in diesem Sommer wieder dran vorbeigefahren ist:  Superinteressant… aber keine Ahnung, was das ist und wofür es dienen könnte… Ein Amphitheater vielleicht? Die farbige Haut lenkt so schön vom Wirrwarr der Straßen hier ab. Leider keine Chance zur Besichtigung, denn man muss doch immer entweder schleunigst an den Gardasee beziehungsweise wieder nach Hause zurück.

5a_i_rovereto1_dsc3592Weshalb man nächstes Mal unbedingt hin sollte:   Im Herbst und Winter, wenn viele Alpenburgen geschlossen sind, rücken die Perlen der Täler in den Blick. Genau da, wo der Reisende von der Brennerautobahn immer Richtung Riva abbiegt, wurde vor acht Jahren das Durcheinander der Zubringerstraßen aufgewertet. Gemeinsam mit dem 2002 eröffneten MART (Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Trient und Rovereto) setzte die Brennerautobahn AG an dieser touristischen Schlüsselstelle ein unübersehbares Kunst-Signal. Ein polychromses Mosaik aus 300.000 5b_rovereto_dsc3589unregelmäßig gebrochenen Keramiksplittern stellt Menschen, Berge, Flüsse und Bäume des Trentino dar. Barbara Tamburini aus Arco übertrug den Entwurf Enrico Ferraris auf eine sich über 135 Meter spiralig windende, bis zu acht Meter hohe Mauer. Die abstrahierten Darstellungen sind voller futuristischer Anklänge. Rovereto war für diese Stilrichtung unter anderem deshalb wichtig, weil 1919 der Futurist Fortunato Depero in die Stadt kam und hier vierzig Jahre lang an Bildern, Skulpturen, Möbeln oder Stoffen arbeitete. Sein früheres Wohnhaus wurde 1960 zu seinem Museum, Deperos Nachlass besitzt und verwaltet heute das MART. Zurück zur Spirale: Den Eindruck des Verwischten (sfumato) erzeugte Barbara Tamburini durch die Verwendung der Trencadis-Technik von Antoni Gaudí (1852–1926). Sie erlernte sie bei ihrer Mitarbeit an der Sagrada Familia des vignette_strassenrandperlen4spanischen Jugendstilarchitekten, einer Kirche in Barcelona. Die vor 150 Jahren begonnene Sagrada ist bis heute unvollendet. Dieses Werk in Rovereto war jedoch zum Glück nach acht Monaten fertig.

Wie man hinkommt   Von der A 22 (Rovereto Sud) Richtung Riva und Gardasee abfahren. Man umrundet, bevor es über die Etsch nach Westen geht, automatisch die Verkehrsinsel mit der Spirale. Parkplatz nebenan.

copyright für Idee, Text und Fotos: Alexander Hosch & Sabine Berthold

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Mondäne Lichtblicke in Arco

IMG_1234Manchmal möchte man in Arco, dem sympathischen Kletterdorado nördlich des Gardasees, einfach nur die Augen schließen vor den in bunte Funktionskleidung gepressten Massen. Wir flüchten daher zu gerne in die Galleria Civica G. Segantini, wo noch bis 19. Oktober die Ausstellung „Divisionismi dopo il Divisionismo“ zu sehen ist. Diese italienische Kunstströmung begann Ende des 19. Jahrhunderts mit der Atomisierung von Form und Farbe. Für die nächste Generation – die Futuristen – war sie bahnbrechend. Während die französischen Pointillisten beim Nebeneinandersetzen von Klecksen, Linien und Punkten wissenschaftlichen Prinzipien folgten und eine gewisse Monotonie erzeugten, gelang den italienischen Divisionisten wie Giovanni Segantini, Luigi Bonazza und Teodoro Wolf Ferrari eine freiere Anwendung der Maltechnik: Licht, Flirren, Strahlkraft, Farbe – von all dem mehr.vignette_2_stadt

Wer sich Zeit nimmt für die Schau in dem bezaubernden Palazzo dei Panni aus dem 17. Jahrhundert, wird mit Entdeckungen belohnt wie dem wenig bekannten Triester Vito Timmel und Luigi Bonazzas Porträt der bildschönen “Gigina“, die in ihrem Dreißiger-Jahre-Look samt langer Perlenkette der neuesten Vogue entstiegen sein könnte. Nach diesen mondänen Lichtblicken ist man wieder gut gewappnet für die Realität draußen auf der Straße. Alexandra González

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Divisionismi dopo il Divisionismo. La pittura divisa da Segantini a Bonazza. MAG Museo Alto Garda Arco, Galleria Civica G. Segantini. Den hübschen Katalog (10 ) gibt es leider nur in italienischer Sprache. www.musealtogarda.it