

In Kitzbühel gibt es ein nagelneues Restaurant im ersten Stock eines Stadthauses. Keiner geht dort hin, nur um einen kleinen Appetit zu stillen.
Das Berggericht ist ein Lokal, das spürbar etwas vor hat. Edel, achtsam und kultiviert. Es verzichtet sogar auf einen Gastgarten, so dass die Gäste sich an 36 Sitzplätzen voll und ganz auf ihre Speisen, die Weine aus eigenen Gütern des Besitzers in Franken und Stellenbosch sowie auf ihre Begleiter:innen konzentrieren. Das freundliche Ambiente mit den gepolsterten Bänken fördert wie automatisch das gute Tischgespräch. Niemand will aus diesem Laden freiwillig rasch wieder aufbrechen.
Konzept ist, dass es stets sieben Gänge gibt. S-i-e-b-e-n! Keiner davon ist, was er im ersten Moment zu sein scheint. Spannend. Die Überraschung ist also Dauergast. Ein Gulasch kann hier wie ein Gebäckstück mit Schokoladenguss aussehen – oder wie ein Mini-Burger. Vor dem regulären Menü gibt es immer ein paar Amuse-gueules, danach einige Desserts. Alles – auch die Hauptspeise – ist sehr fein tariert, so dass man sich nie voll fühlt.

Die Eröffnung wurde wegen Corona ein paar Mal verschoben. Im November 2021 war es aber so weit. Wir kamen etwa vier Wochen danach. Trotz des notwendigen Blitzstarts der österreichische Gastronomie nach dem Dezember-Lockdown (zwei Tage zuvor) saßen Motivation und Leidenschaft in jedem einzelnen Gericht, egal ob Aal, Hummer oder Spinatravioli. Grassierender Personalmangel? Nicht hier! Das kleine Team arbeitete mit extremer Disziplin und Passion. Manche Hors d´oeuvres, Hauptgänge, Petits fours sahen fast so eindrucksvoll aus wie Mikroausdrücke in der Psychologie – ein virtuoses Spiel aus Analogie, Minimalismus und Konsistenz, Qualität und Ästhetik. Geschmackliche Höhepunkte waren ein XO Alm OX (Dry aged Rinderfilet mit Pfeffersoße, Speckbohnen und Pommes) und – von der Pâtissière – ein Haselnuss-Mandel-Milch-Gemisch. Hans Hanner war in Mayerling bei Wien ein 4-Hauben- plus 2-Sterne-Koch, ehe er ins Berggericht wechselte. Er möchte bald genau da hin, wo er vor der rauen Coronazeit war: zu den Sternen!

Am nächsten Tag in Kitzbühel, auf der Piste, ist dann ein einfaches, bodenständiges Backhendl die ideale Ergänzung. Am besten im Berghaus Tyrol. Dessen Architektur – mit Holzschindelfassaden, Pultdach, schlichter Gliederung und Traumaussicht – wurde einst als Feriendomizil Haus Lopez gestaltet, von den feinen Händen des Kitzbüheler Malers und Architekten Alfons Walde (1891-1958). Von so was träumen übrigens all die Menschen wirklich, die
immer von sich behaupten, sie würden gern in einem Tiny house leben: ein gemütliches Haus in der Natur ohne Schnickschnack, aber mit viel Aussicht und genügend Platz. Das Lokal mit Panoramaterrasse liegt nur knapp überhalb des Hahnenkamms. Die beiden Stationen für dessen Bergbahn hat Walde übrigens auch gebaut, schon 1927. Durch sie gleiten auch dieses Jahr wieder alle Skistars der Welt zum Starthäusl der beiden Streifabfahrten.
Text und Fotos: Alexander Hosch

Mehr Infos zu den Kitzbüheler Häusern von Alfons Walde, gibt es hier: Olivia Hromatka: Der Architekt Alfons Walde im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, 2016, Klein Publishing GmbH, 38 Euro, ISBN 978-3-903015-06-7
Aktuell: Unsere Reisegeschichte über Kitzbühel sowie den Maler und Architekten Alfons Walde, der mehrere Häuser auf dem Hahnenkamm erbaut hat, ist in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 16. Januar 2022 erschienen.
Aktuell 2: Die FIS-Skirennen auf der Streif (Abfahrten) und am Ganslernhang (Slalom) finden von 21.- 23. Januar 2022, statt.








Tote Bauwerke sind, solange sie gut aussehen, besser als jedes hässliche neue Archi-Nichts. Davon lebt der traumschöne Ski-Ort Bad Gastein im Salzburger Land prächtig. Berliner und andere westliche Hipster, Moskauer und andere östliche Oligarchen streifen seit Jahren wonnevoll durch eine Wintermärchen-Topografie aus kaiserlichen Kurparks, Wasserfällen und verlassenen Grand Hotels.
Schon öfter haben wir bei Alpine Kultur über neue Schutzhütten, Bücher oder Ausstellungen des Deutschen Alpenvereins berichtet. Jetzt ist es einmal umgekehrt: Die Redaktion der alpinwelt, Vierteljahresschrift der Sektionen München & Oberland des DA
Retrobauten der 1970-er-Jahre unter den Gipfeln klug wiederverwenden kann. Und wie zwischen Steinriesen, Hügeln, Wäldern und Wiesen Flächenfraß und Monsterstadelei zu vermeiden sind. Unsere Bilder zeigen, von oben nach unten, die Hüttentürme des Hotels Tannerhof in Bayrischzell (Architekt Florian Nagler) von 2011, das Cover der aktuellen alpinwelt, die Kapelle Salgenreute (2017) in Krumbach, Vorarlberg (Architekt Bernardo Bader) und die Frühstücks-Kugel von 1972 inmitten des Tauerngebirges, oberhalb von Sportgastein am Liftende des Gebiets Ski Amadé (Architekt Gerhard Garstenauer).
Die alpinwelt gibt es nicht am Kiosk. DAV-Mitglieder bekommen sie zugeschickt. Sie liegt außerdem in zahlreichen Sportfach- und Klettergeschäften in und rund um München kostenlos aus. Oder Link zum Download des Heftes anklicken: 
Mit dem Auge eines Kabarettisten macht sich Lois Hechenblaikner immer wieder nach Ischgl auf: Um in den Schifahrermonaten den Ort und seine Spaßfolterexzesse zu dokumentieren. Seit 26 Jahren. Da tun sich ein paar Fragen auf: Ist der Fotograf, was Musik und Ästhetik angeht, vielleicht selbst Masochist? Oder locken dort im Verborgenen die Fifty Shades of White? Die Antwort ist einfacher und komplizierter zugleich: „So etwas muss eine Einschreibung auf der Seelenlandschaft sein, sonst tust du dir das nicht an“, sagte der Tiroler gerade zur SZ und begründete seinen Zwang biografisch: Er sei – im Alpbachtal – selbst als Sohn einer Gastwirtsfamilie aufgewachsen.
Bleibt eine Frage: Geht´s nächsten Winter in Ischgl wieder genau so weiter? Keiner weiß es. Fest steht nur, dass garantiert der Fotograf wieder kommen wird. Ein sehr gutes, ein wahrhaftiges Buch.





Kärnten liegt, aber fast wie eine Tropenvilla aussieht. Oder im verlassenen, teilrestaurierten Elternhaus an der slowakischen Grenze, wo Prix
den legendären Flammenflügel von 1980 auf dem Steirischen Herbst in Graz. Dabei entsteht in der Summe der Eindruck, dass all die kleinen Projekte in der oder rund um die Alpenrepublik – wie das Alban-Berg-Denkmal, das 2016 vor der Wiener Staatsoper aufgestellt wurde – dem Schöpfer Prix persönlich womöglich wichtiger sind als all die Weltarchitekturen der letzten Jahre.
„Architektur muss brennen. Wolf D. Prix und coop Himmelb(l)au“, Film von Mathias Frick, navigator film/hook film, DVD, 56 Minuten, 2019, www.navigatorfilm.com
Klimazeugen von der Eiszeit bis zur Gegenwart. Der Autor, Polarforscher und Glaziologe Gernot Patzelt hält den Lügnern und den Leugnern und der menschengemachten Naturzerstörung jetzt die Gletscher selbst entgegen. Mit ihrer Geschichte, mit ihrer Gestalt, mit diesem nagelneuen Buch.
Arbeiten der beiden Letzteren, sie waren Kammermaler des österreichischen Erzherzogs Johann, geben diesem neuen Werk sein Gesicht. Der Erzherzog schickte Anfang des 19. Jahrhunderts immer wieder
erreichten, mit aktuellen Fotografien ihrer kläglichen Reste. Er ergänzt sein Werk um zahlreiche wissenschaftliche Daten und Fakten der letzten 50.000 Jahre, um Diagramme und Statistiken. So ist ein vielfach lohnendes Monument entstanden – schön, klug und wissenschaftlich, geschmückt von vielen doppelseitigen Ansichten. Wenigstens während man dieses vor wenigen Tagen neu erschienene Buch durchblättert und ansieht, herrscht Eiszeit für dummes Gezwitscher und Gequassel.
Text: Alexander Hosch
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In den letzten Monaten haben mein Blog-Kollege Alexander und ich unsere Köpfe ungewöhnlich selten zusammengesteckt. Dies lag ein wenig daran, dass er sich in ein weiteres seiner Buchprojekte vergraben hatte. Nun ist „Winzig alpin“ endlich erschienen: Alexanders handliches Kompedium der hoch oben gelegenen Tiny Houses, Almhütten, Baum- und Bushäusschen, Refugien, Konzertboxen etc. im Mini-Format.
h haben es mir vor allem die Kunst-Stationen in diesem Buch angetan. Allen voran James Turrells Skyspace am Engadiner Piz Uter, wo täglich in einem subtilen Lichtspektakel die Dämmerung transzendiert wird.
Gerne würde ich auch einmal in das verrückt-luftige, durch die Schweiz vagabundierende Null Stern Hotel der Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin einchecken. Es besteht aus kaum mehr als einer einzigen Wand, einem Doppelbett, Nachttischlein, Lampe und einem alten Röhrenfernseher, der Witze aus der Region ausstrahlt und dem Housekeeping zur Kommunikation dient.
Wir allen wissen, zu welchem Rummelplatz die Alpen in den letzten Dekaden verkommen sind. So ist das womöglich die schönste Botschaft dieser Publikation: Es gibt sie noch, die widerspenstigen Bauherren, die diesem Wahnsinn mit nachhaltig konzipierten, fantasievollen Raumwundern entgegensteuern.

