Von k.u.k. in die Gegenwart

Bäume der Erkenntnis gedeihen zuhauf in diesem Garten Eden, der sich an die steil abfallenden Felsen von Arco Trentino schmiegt. Bedingt durch das milde Klima und die vor scharfen Winden schützende Lage wächst wirklich jedes Gehölz in dem verwunschenen Arboretum. Monterey-Zypresse, Sequoia,  Kampfer- und Avocado-Baum, Korkeiche, Agave, Seidenbaum und Fächerpalme sind nur einige der 200 Arten aus aller Welt, die in diesem Lehrgarten uralt werden. Auch exotische Zitrusfrüchte wie Bergamotte, Zedernapfel und Pomeranze reifen in einer pittoresken Limonaia.

Erzherzog Albrecht von Österreich hatte Arco zum Winterkurort sowie Altersrefugium gewählt und ließ das Paradies samt Villa 1873 nach seinen Vorstellungen anlegen. Hier erholte sich die graue Eminenz aus der Entourage Kaiser Franz Josephs von der strikten Ordnung am elitärsten Hof Europas. Man würde sich wünschen, die weiche Champagnerluft hätte seine neoabsolutistische Haltung nachgiebiger werden lassen, doch so war es nicht.

Wie auch in Wien schottete sich der Habsburger Hochadel hinter Gittern und Mauern von der Außenwelt ab. Es sollte 120 Jahre dauern, bis das erzherzogliche Arboretum – nun unter der Verwaltung des Museo Tridentino di Scienze Naturali in ein Freilichtmuseum verwandelt – jedem offenstand.


Ganz möchte man sich in Arco nicht von der schillernd-feudalen Vergangenheit lösen, denn der alte k.u.k-Glanz trägt mit seinen Magnolienalleen und kaum in Schuss zu haltenden Luxussanatorien wesentlich zur charmanten Noblesse bei. Dennoch wurde nun in Sichtweite des Arboretums ein herrlich demokratisches Projekt realisiert: Der Parco Nelson Mandela im Stadtteil Braile ist ein eindrucksvolles Urban-Gardening-Unterfangen, an dem Jung und Alt beteiligt sind.

Es duftet nach Melisse, Thymian, Minze und im Frühling dann nach blühenden Obstbäumen. Zwölf junge europäische Architekten haben kürzlich in einem Workshop eine zeitgemäße Parkmöblierung ausgetüftelt. Jetzt machen aparte Paravents, schattenspendende Pergolen und Sitzgelegenheiten, allesamt aus Holz, ihre Lockangebote. Wer Lust hat auf einen Apero, kommt frühabends vorbei, wenn der Park am belebtesten ist, bestellt einen Gin Tonic „biologico“ am Kiosk und beobachtet, wie nonchalant die Generationen in Italien miteinander umgehen. Das Habsburger Hofzeremoniell könnte nicht weiter entfernt sein.

Text und Fotos: Alexandra González

Herbst der Partisanen

Das untere Sarca-Tal erstreckt sich von der Limarò-Schlucht bis nach Riva del Garda. Mit alten Villen ist es gesegnet, mit Renaissance- und Barockkirchen, mildem Klima und einer bizarren Landschaft aus Gesteinsmassen, die urzeitliche Bergstürze hier hinterlassen haben. Ein Paradies für Sportler, Naturfreunde, Kulturbeflissene. Was viele Besucher nicht wissen: In diesem verwöhnten Landstrich am Flusslauf der Sarca formierte sich in den frühen Vierzigerjahren wirkungsvoller Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Am Ende des zweiten Weltkriegs verdankte Riva del Garda der Partisanenbrigade Eugenio Impera gar seine Befreiung.

Das MAG, ein Museum in der Festung von Riva, idyllisch vom Gardasee umspült, hat zu diesem besonders dramatischen Abschnitt italienischer Geschichte die bemerkenswerte Ausstellung „Achtung Banditen!“ realisiert. Zahlreiche Vintagefotos, Originalurkunden, Texte auf Italienisch und Englisch sowie Videoinstallationen dokumentieren die Anstrengungen der alpinen Rebellen im Kampf gegen die Gräuel der deutschen Besatzung . Unter die Haut geht die Schau, wenn man plötzlich Historie in den Händen hält: Eigens wurde das einst in Rivas Via Verdi angesiedelte Gestapo-Büro rekonstruiert – in diesem Dienstzimmer lassen sich nun eine Kartothek öffnen und die Karteikarten mit den Biografien der Partisanen betrachten und befühlen, wie überhaupt der Heldenmut einer ganzen Region in der Ausstellung ein Gesicht bekommt. 

Die Schau zeichnet die Entwicklung von Jugendlichen aus dem Sarca-Tal nach, die vom Faschismus über den lebensreformatorischen Antifaschismus der „Figli della montagna“ (Kinder der Berge) zum militanten Widerstand wechselten. Sie erzählt von der tragischen Nacht zum 28. Juni 1944, als die Nationalsozialisten elf Partisanen exekutierten und von den Narben, die die Bevölkerung nach Kriegsende davontrug.

Résistance ist also kein heroisches Privileg der Franzosen, sondern auch integraler Bestandteil der Geschichte des Trentino, wo sich der Widerstand vor allem entlang der Provinzgrenzen bildete. Zivilcourage hieß hier einfach Resistenza.

Alexandra González

 

Achtung Banditen! Widerstand im unteren Sarcatal. 1943 bis 1945. MAG Museo Alto Garda, Riva del Garda. Bis Sonntag, 5. November 2017. Der Katalog zur Ausstellung kostet 2 Euro.
http://www.museoaltogarda.it/de/mostre/temporanee/exhibits/exhibit/achtung_banditen_la_resistenza_del_basso_sarca_1943-1945

Mondäne Lichtblicke in Arco

IMG_1234Manchmal möchte man in Arco, dem sympathischen Kletterdorado nördlich des Gardasees, einfach nur die Augen schließen vor den in bunte Funktionskleidung gepressten Massen. Wir flüchten daher zu gerne in die Galleria Civica G. Segantini, wo noch bis 19. Oktober die Ausstellung „Divisionismi dopo il Divisionismo“ zu sehen ist. Diese italienische Kunstströmung begann Ende des 19. Jahrhunderts mit der Atomisierung von Form und Farbe. Für die nächste Generation – die Futuristen – war sie bahnbrechend. Während die französischen Pointillisten beim Nebeneinandersetzen von Klecksen, Linien und Punkten wissenschaftlichen Prinzipien folgten und eine gewisse Monotonie erzeugten, gelang den italienischen Divisionisten wie Giovanni Segantini, Luigi Bonazza und Teodoro Wolf Ferrari eine freiere Anwendung der Maltechnik: Licht, Flirren, Strahlkraft, Farbe – von all dem mehr.vignette_2_stadt

Wer sich Zeit nimmt für die Schau in dem bezaubernden Palazzo dei Panni aus dem 17. Jahrhundert, wird mit Entdeckungen belohnt wie dem wenig bekannten Triester Vito Timmel und Luigi Bonazzas Porträt der bildschönen “Gigina“, die in ihrem Dreißiger-Jahre-Look samt langer Perlenkette der neuesten Vogue entstiegen sein könnte. Nach diesen mondänen Lichtblicken ist man wieder gut gewappnet für die Realität draußen auf der Straße. Alexandra González

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Divisionismi dopo il Divisionismo. La pittura divisa da Segantini a Bonazza. MAG Museo Alto Garda Arco, Galleria Civica G. Segantini. Den hübschen Katalog (10 ) gibt es leider nur in italienischer Sprache. www.musealtogarda.it