
Drei Dörfer empfangen in der bei uns kaum bekannten Skiurlaubslandschaft Serre Chevalier, wo die sonnigen französischen Südalpen ihren Anfang nehmen. Das Sahnehäubchen hier ist jedoch, dass der Skispass schon in Briançon beginnt – in der höchst gelegenen Stadt der Europäischen Union. Auf 1326 Metern wird ihre
Vedute von nicht weniger als fünf sternförmigen Forts des Militärbaumeisters Vauban gekrönt, der sie zur Barockzeit für den Sonnenkönig baute. Besucher finden deshalb in der alpinen Festungsstadt heute eine Art San Gimignano der Berge vor – mit Erdwällen, Wehrtürmen, südlichen Piazzas und italianisierenden Cafés. Direkten Liftanschluss gibt es auch: Ab hier bis zum Col du Galibier erstrecken sich jeden Winter 250
km Pisten. Und ideal als Zwischenspiel: Im Gebäude einer alten Militärskischule, das ab 1902 zusätzlich eine Skifabrik beherbergte, logiert seit 2023 die Kletterhalle Bloc 027. Gäste können an ihren knallbunten Wänden auf zwei Etagen professionell bouldern. Und danach im integrierten Restaurant regionales Slowfood genießen.
Hat man dann die romantischen Stadtgassen erst verlassen, wird am Profil einer Perlenkette, aufgereiht aus den Dörfer Chantemerle, Villeneuve-la-Salle und Monêtier-les-Bains, schnell der Appeal des Skigebiets Serre Chevalier erkennbar: stilvolle Gemütlichkeit. So sieht eine Ferienregion aus, die sich zufriedene Gäste wünscht, aber ein naturschädliches Wachstum im Tal für überflüssig hält. Während in anderen französischen Skistationen Remmidemmi oder schnödes Bling-Bling den Ton angeben, punktet etwa das
vornehme Grand Hôtel de Serre Chevalier, das in den 1950er Jahren erbaut wurde, mit seiner langlebigen alten Holzfassade und dem diskreten Charme der Bourgeoisie. Nach dem Genuss der Pisten plant man hier lieber stilgerecht ein paar ruhige Stunden in den heißen Wassern der Grands Bains de Monêtier oder die Teilnahme an einer Schneeschuhwanderung in der Natur der Lärchenwälder samt nächtlichem Iglu- oder Tipi-Fondue. In fünf Jahren, wenn in Villeneuve und im benachbarten Montgenèvre bei den Olympischen Winterspielen 2030 Snowboard-Wettbewerbe in der Half Pipe und im Boardercross ausgetragen werden, soll im Fort des Têtes von Briançon in 1440 Meter Höhe das Olympische Dorf installiert sein, sodass die Athleten direkt in einem Unesco-Weltkulturerbe untergebracht sind. Ob diese schicke Lösung auch wirklich nachhaltig und ökologisch sauber ist, wird gerade noch geprüft.
Lisa Gibello, die regionale Presseattachée, weiß längst, dass grüne Werte im Skisport Zukunft versprechen können. Deshalb sei Serre Chevalier so zögerlich mit grandiosen Neubauten. Ein immer größerer Teil der für den Liftbetrieb erforderlichen Energie, so sagt sie uns mit Blick auf die anspruchsvollen deutschen Gäste der Zukunft, stamme aus erneuerbaren Quellen. „Wir nutzen unsere Turbinen, Generatoren und das Wasser des Flusses Guisane parallel für eine Wollmanufaktur, die Mühlen, die Landwirtschaft und die Produktion des künstlichen Schnees.“ Und der Technische Direktor der Skistation erklärt beim Mittagessen im
Höhenrestaurant Café Soleil, dass es für die Loipen neuerdings eine zu 100 Prozent ökologisch elektrifizierte Schneeraupe gibt, während der Rest der Einsatzfahrzeuge inzwischen mit Öko-Benzin statt Diesel bewegt wird. Die Busse, die im Tal verkehren, müssen leider von den Skigästen extra bezahlt werden – das ist verbesserungswürdig, aber eigentlich das einzige Manko in dem schönen Ski-Tal. Im April hat man die Sonne und die bis in 2800 Meter reichenden Abfahrten dafür wunderbarerweise fast für sich allein!

Das ist in Les 2 Alpes natürlich anders. Selbst lange nach Ostern kommen die Skifahrer noch in Scharen in Europas höchstgelegenes Gletscherskigebiet. Busfahren ist hier aber stets für alle umsonst. Das Skidorf auf 1650 Metern liegt zwei Stunden Autofahrt weiter nordwestlich und gehört schon zur Dauphiné. Es entwickelte sich seit den 1950er Jahren und wird von einem gänzlich anderen Flair durchwirkt. Obwohl der Ort jenseits der Wetterscheide liegt, die in Frankreich geografisch Nord- und Südalpen – Savoyen von der Provence – trennt, erfreut er sich kaum weniger des Sonnenscheins als Serre Chevalier. Zu beiden Seiten der Hochebene, auf die Les 2 Alpes sich bettet, gibt es weiter unten romantische alte Dörfer, in die man absteigt oder per Ski und Seilbahn abfährt: Vénosc und Mont-de-Lans. Les 2 Alpes selbst besteht im Wesentlichen aus einer langgezogenen Hauptstraße mit Hotels und Shops sowie höher gelegenen Chaletsiedlungen. 80 Restaurants und Bars wie Monsieur K oder Ginette prägen die von Franzosen, Engländern, Belgiern, Niederländern und Italienern – nicht aber von Deutschen – dominierten Skiwinter, die sich bis in den Juli ziehen. Nirgendwo in Frankreich dauert die Skisaison länger.

Geht es um Skisport, reizen in dieser Umgebung vor allem die grandiosen Tourenabfahrten. Auf 3400 und 3600 Meter kann man sie beginnen – oder, als Winterwanderer, einfach den Blick von den Bergriesen des Parc National des Écrins wie der Muzelle bis hinüber zum Mont Blanc richten. Wir sind heute mit Cédric unterwegs, 50 Jahre alt und ein ehemaliger Skirennfahrer. Unser Skiguide liebt es schnell zu fahren und braust mit uns auf seinen Wegen durch die Sektoren Fées, Toura, Diable oder Crêtes. Von Les 2 Alpes aus, erzählt er, gibt es Verbindungen ins europaweit bekannte Naturskigebiet La Grave, das die Hänge um den fast 4000 Meter hohen Berg La Meije erkunden lässt. Dort – zu Fuß oder per Ski etwa eine Stunde weiter – ist man ohne Lifte und Schneekanonen unterwegs. Und meist auf anstrengende Aufstiege, Fellskier, gute Guides und sein eigenes Freeride-Können angewiesen. In Les 2 Alpes aber verbindet die brandneue, 180 Millionen Euro teure Seilbahn Jandri das Dorf auf 1600 Metern mit den allerhöchsten Pisten. Ein Höhepunkt ist die 16 km lange Genießerabfahrt im Sektor Toura, vom Gletscher Dôme de la Lauze ganz oben bis ins 2200 Meter tiefere Dorf Mont-de-Lans. Wer lieber in der Sonne schlemmt, kann im Höhenrestaurant Diable au Cœur zum butterweichen Rinderfilet das Gletscherbier
genießen, das dessen Chef selbst braut.
Besonders charmant an Les 2 Alpes ist also praktisch alles. Es geht halt laut dort oben zu. Am meisten überrascht aber waren wir von einem Privatlift, der Gäste ins Dorf Vénosc hinunterbringt. Lokale wie Le Cours de la Vie (Der Lauf des Lebens) zelebrieren hier mit authentischem Ambiente, lokaler Küche und regionalen Produkten stilistisch den maximalen Unterschied zur noblen Skistation oben, wo die Appartements Quadratmeterpreise wie in Paris St. Germain haben. In Vénosc dagegen kann man sich bei einem Glas Wein wie im Dorf in der Provence fühlen. Kaum zehn Minuten entfernt vom Skilift zum Gletscher.

© Text und Fotos: Alexander Hosch
Kletterhalle Briançon https://bloc27.fr
Grand Hôtel de Serre Chevalier Zimmer ab 145 € https://www.serre-chevalier.com/en/accommodation/hotels/grand-hotel-spa-nuxe
Skitagespass Serre Chevalier 51,50 – 63 €, www.serre-chevalier.com
Skitagespass Les 2 Alpes 53,50 – 63 € https://www.skipass-2alpes.com/en/tous-nos-tarifs-hiver
Übernachtung im Hotel Chamois Lodge: DZ ab 130 € https://www.chamoislodge.fr/en/
Weitere Informationen: www.les2alpes.com