Kulturalpinwelt!

Schon öfter haben wir bei Alpine Kultur über neue Schutzhütten, Bücher oder Ausstellungen des Deutschen Alpenvereins berichtet. Jetzt ist es einmal umgekehrt: Die Redaktion der alpinwelt, Vierteljahresschrift der Sektionen München & Oberland des DAV, hat uns gebeten, zur Herbstausgabe 2020 einen Text über den Stilwandel in der alpinen Architektur beizutragen. Alexander Hoschs Essay beschäftigt sich unter anderem mit Umnutzungen, mit kleinformatigen Wohnarchitekturen und mit Aspekten der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit des neueren Bauens in den Bergen. Außerdem geht es darum, wie man etwa Retrobauten der 1970-er-Jahre unter den Gipfeln klug wiederverwenden kann. Und wie zwischen Steinriesen, Hügeln, Wäldern und Wiesen Flächenfraß und Monsterstadelei zu vermeiden sind. Unsere Bilder zeigen, von oben nach unten, die Hüttentürme des Hotels Tannerhof in Bayrischzell (Architekt Florian Nagler) von 2011, das Cover der aktuellen alpinwelt, die Kapelle Salgenreute (2017) in Krumbach, Vorarlberg (Architekt Bernardo Bader) und die Frühstücks-Kugel von 1972 inmitten des Tauerngebirges, oberhalb von Sportgastein am Liftende des Gebiets Ski Amadé (Architekt Gerhard Garstenauer).                          

Fotos: Alexander Hosch

Die alpinwelt gibt es nicht am Kiosk. DAV-Mitglieder bekommen sie zugeschickt. Sie liegt außerdem in zahlreichen Sportfach- und Klettergeschäften in und rund um München kostenlos aus. Oder Link zum Download des Heftes anklicken: www.alpenverein-muenchen-oberland.de .                          

Big in Japan, winzig in Krumbach

Irritationen sind die Würze des Lebens. Es war eine der besten jüngeren Ideen der alpinen Architektur, den Bregenzerwald mit sieben Buswartehäuschen aus der Hand internationaler Architekten zu bestreuen. Architekturzentrum Wien und Vorarlberger Architektur-Institut taten sich dafür mit dem neugegründeten Verein Kultur Krumbach und lokalen Handwerksbetrieben zusammen. Beauftragt wurden unter anderem: der Chilene Smiljan Radic, Pritzkerpreisträger Wang Shu aus China und die Spanier von Ensamble Studio.

Die gelben Landbusse halten nun seit 2014 im Tausend-Seelen-Dorf Krumbach und seiner Umgebung bei extrovertierten kleinen Paradiespavillons, die vor dem Wetter schützen und die Gedanken entführen sollen. Zwischen Schule, Tennisplatz, Gasthaus und Jägerheim. Auf Hügelspitzen, in Talsenken und neben Tannenwäldchen.

Für die irritierendste Irritation kann man sich bei Sou Fujimoto aus Japan bedanken. In Vorarlberg kommt er mit einer Kleinigkeit groß raus. Man übersieht sein Mikado aus der Ferne fast: Der Architekt legte in Krumbach statt einer Hütte einen weißen Stangenwald an, der abstrakt an eine Gruppe

Bäume erinnert. Das ist Hoch-Kultur: Wartende können die Metall-Äste über Holzstufen erklimmen. Bei leichtem Regen beschirmen einen die Trittstufen (ein bisschen). Eine heitere Etüde, die sehr gute Laune macht. Moderne Architektur kommt erst bei den Menschen an, wenn sie ihren Alltag durchdringt, philosophiert Jürgen Habermas. Hier ist das ganz wunderbar gelungen.    Alexander Hosch                                                           Fotos: Sabine Berthold