Das Geheimnis von Oberwald

Als Drehort sind die Alpen einsame Spitze. Doch nicht jedes Werk, das hier entstand, wird auch als Bergfilm wahrgenommen. Wir stellen Fundstücke abseits des klassischen Genres vor, vom Klischee des Helden im Fels befreit: Heimlicher Alpenfilm #9

Das größte Geheimnis, sagte Michelangelo Antonioni, bestünde darin zu wissen, warum er diesen Film überhaupt gemacht habe. 1980 verstörte der Säulenheilige des italienischen Autorenkinos mit seiner experimentellen Fernsehproduktion Kritiker und Publikum. Zum ersten und letzten Mal hatte er sich an einen Kostümfilm gewagt – noch dazu die Adaption von Jean Cocteaus schwülstigem Kammerspiel „Der Doppeladler“, das sehr lose auf dem Leben Sisis und Ludwigs basiert.

Nach 16 Jahren Pause arbeiteten Michelangelo Antonioni und seine Muse Monica Vitti wieder zusammen. Als Alpenmonarchin traumwandelt der Star durch diese tragische Story: Die Königin eines mitteleuropäischen Fantasiereiches um 1900 bebrütet seit dem Tod ihres Mannes ihre Melancholie, bis sie sich in einen Anarchisten verliebt, der in ihr Bergschloss eingedrungen ist, um sie umzubringen.

Antonioni kühlte den barocken Schmelz auf den Gefrierpunkt herab. Und aus Kitsch wurde Kunst. Diese Farben! Diese Monica Vitti! Dieser königliche Ausritt in einen psychedelisch verzauberten Wald! In nur 64 Tagen war der Film an Originalschauplätzen abgedreht, darunter das Castel Thun nördlich von Trient. Nachträglich wurde er digital mit changierenden Farbrastern überzogen. Grüne Burgmauern, Gewitterwolken in Rosé, Wildblumen in Regenbogenfarben. Dazu Brahms, Schönberg und Strauss´ Alpensinfonie. Der cineastische Trip, der 1970 am Zabriskie Point begann, hat auf Schloss Oberwald den Gipfel erreicht.

Alexandra González

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