Der neue Skiglamour ist grün

Luxus im Skisport, das hieß mal: Teure Sportkleidung, schicke Hotels mit gigantischen Wellnesslandschaften – und vielleicht noch ein superber Helikopterflug in unberührte Tiefschneereviere. Vorbei.

Längst ist die Konkurrenz zwischen den Skidestinationen der Zukunft eine andere. Den feinen Unterschied bei schwindenden Schneemassen und breitflächig dokumentiertem CO²-Ausstoß macht heute die grüne Note. Aber ohne billiges Greenwashing bitte! Weiße Weihnachten können künftig eh nur noch die wenigsten Orte ihren Gästen mit Garantie verkaufen. Wer schafft es also, in kürzester Zeit nachhaltige Faktoren in sein Skigebiet zu integrieren? Wie wollen alpine Dörfer künftig die anspruchsvolle Klientel aus Europas Großstädten dazu animieren, ungeheure Summen für  ein Skiurlaubsvergnügen auszugeben, das mehr und mehr umweltschädlichen Kunstschnee benötigt, das immer noch teurer wird und gleichzeitig immer weniger als Anlass für begeisterte Gespräche unter Freuden taugt?

Der Ort Bad Hofgastein hat diesen Wettbewerb jetzt beispielsweise mit 15 großen sogenannten Solarbäumen voller PV-Module aufgenommen, die seit Sommer 2023 neben der Talstation der Schlossalmbahn herangewachsen sind. Sie sollen dafür sorgen, dass der Stromverbrauch dieser Gondelverbindung schon bald komplett aus erneuerbaren Quellen stammt. Zudem können hier E-Fahrzeuge aufgetankt werden, während man über die Pisten carvt – sei es das eigene Auto oder ein Leihwagen aus der E-Car-Kollektion der Gasteiner Bergbahnen. Solche News werden im Wettstreit zwischen den alpinen Skiorten vielleicht schon bald den Ausschlag geben.

Neuen Luxus herkömmlicher Machart gibt es auch noch, nebenan in der Kurlandschaft von Bad Gastein. In einem Ort, wo täglich reichlich heißes Wasser als erneuerbare Energie direkt aus dem Felsen kommt, macht das immerhin auch künftig Sinn. Deshalb hat zu Beginn des Jahres 2024 das „Badeschloss“ aufgemacht – ein 13 Stockwerke hoher Hotelturm, der seit kurzem als „künstlicher Felsen“ aus vorgefertigten Betonteilen dem Häusermeer entragt. Er vermittelt zwischen der alten Zuckerbächerpracht der Barockfassaden und dem hier im Salzburger Land durchaus auch vorhandenen Architekturkonstruktivismus der 1970er Jahre. Gelungen und mutig. Aber nix für Spießeridyllen.

Den vollen Charme kann das neue Hotel Badeschloss jedoch erst entfalten, wenn auch der sogenannte vertical link Wirklichkeit ist. So heißt ein für 2025 geplantes, aber wohl erst später zu realisierendes Projekt für ein kilometerlanges unterirdisches Förderband, eventuell mit Rolltreppen, das den Ortskern beim berühmten Wasserfall mit dem sehr viel höher gelegenen Bahnhof und der Stubnerkogelseilbahn verbinden wird. Eine grüne und soziale Idee, für die aber noch viel Bautätigkeit nötig ist. Danach kann jede:r die hier extrem steilen Strecken von den Hotels zu den Zügen und Liften samt Kindern und Skiausrüstung bequem als Fußgänger bewältigen. Statt, wie bisher, per Auto.

Natürlich gibt es auch im Skisport jede Menge Gemüter, die auf Neuerungen nicht die geringste Lust haben und lieber Teil des Problems bleiben, als zur Lösung beizutragen. So wie heute wird der alpine Skisport in Höhenlagen unter 2000 Metern aber schon aus physikalischen Gründen spätestens 2035 nicht mehr funktionieren. Garantiert nicht. Deshalb versuchen jetzt viele Alpendörfer alles, um ihren Teil des Kuchens zu behalten. Flaine in den französischen Alpen wollte bis vor kurzem einen sogenannten Tal-Lift  bauen, um alle Verbrennerautos von seinen Hochstraßen zu verbannen. Leider gescheitert: zu teuer. Österreich intensiviert gerade bundesweit den Schienenverkehr, um ab 2026 Alpenorte mit der doppelten Frequenz an Zugverbindungen über Salzburg oder Klagenfurt zu erreichen. Vielversprechend.

Nicht alle Dörfer können gewinnen. Die Mehrzahl der Skikunden in den Ostalpen werden neben Einheimischen – wohl die Deutschen und die Skandinavier bleiben. Und Bürger dieser Länder waren in den letzten Jahrzehnten in puncto Nachhaltigkeit die forderndsten Europäer. (Von Malmö nach Salzburg wurde vor zwei Jahren sogar extra eine neue Nachtzuglinie für Wintersportler kreiert.) Viele von ihnen werden – wenn sie die Wahl haben – auch in künftigen Alpenurlauben regionale Küche und öffentliche Anreise wählen. Dazu weiße Skihänge, die auf natürliche Weise beschneit werden – und aus genau diesem Grund auch ziemlich grün sind.

Text und Fotos: Alexander Hosch

Das Netz – Prometheus (Serie, 2022)

Als Drehort sind die Alpen einsame Spitze. Doch nicht jedes Werk, das hier entstand, wird auch als Bergfilm wahrgenommen. Wir stellen Fundstücke abseits des klassischen Genres vor, vom Klischee des Helden im Fels befreit:                               

Heimlicher Alpenfilm  #19

Russland, Katar, China – immer öfter werden wichtige Wettbewerbe des internationalen Sports und vor allem des Fußballs von Diktaturen bezahlt, bestimmt oder ausgerichtet. Manchmal sogar alles zusammen. Die entscheidenden Bürostätten der internationalen Kickergemeinschaft dagegen finden sich in der Regel an gemütlichen Orten im sicheren Europa. Am liebsten mitten in den Alpen.

Der Weltfußballverband Fifa etwa. Dessen lichte neue Zentrale liegt auf hehren Höhen in Zürich. Mit majestätischer Weitsicht auf die steinernen Riesen der Schweiz. Und die Uefa, die Union der europäischen Fußballverbände: Sie sitzt in Nyon am Genfer See. Da leuchten vom anderen Ufer täglich Mont Blanc und Co herüber, also Europas absolute Gipfelavantgarde. Beide Orte kommen jetzt in der aktuellen österreichischen Serie „Prometheus“ vor, die rechtzeitig zur Fifa-WM 2022 – als Teil des internationalen TV-Projekts Das Netz – in dieser Woche ausgestrahlt wird. Hinter geparkten Autos und aussteigenden Schauspielern sind sie manchmal als Kulisse zu sehen. Auch die Vedute von Salzburg bekommt einige grandiose Bildschirmmomente.

Der mit Abstand wichtigste alpine Drehort in dieser Serie heißt jedoch Bad Gastein. Der österreichische Darsteller-Superstar Tobias Moretti durchschreitet dort als Chefarzt Georg Trotter acht Folgen lang eine Hochleistungs-Sportklinik. Trotter – früher Fußballprofi, dann als Arzt und „Bluthund“ der Dopingfahndung zur gefürchteten Berühmtheit geworden – zieht aus Nordengland in eine Villa im Salzburger Land. In Spiegelung der allgegenwärtigen Korruption im realen Fußball geht es um Geld, Macht, Manipulation, Aufputschmittel, junge Supertalente und ihre genetische Optimierung. Ein neues Enzym soll den jugendlichen Athleten Wunderkräfte verleihen – und nebenbei den greisen Gremiensportlern der Verbände das ewige Leben gewähren.

Die Postkartenidylle des k.u.k.-Kurbads im Gasteiner Tal ist – neben Liverpool – das hochästhetische zweite Zentrum der Story. Hier geht man schon von Natur aus permanent auf- oder abwärts. Ein für das Thema Vitalität also äußerst glaubwürdiger Ort im Talschluss, gesegnet mit Bädern und Heilquellen, in denen etwa Kaiserin Sisi unzählige Male aufgepäppelt wurde. Regisseur Andreas Prochaska („Das Boot“, „Das finstere Tal“ und „Alex Rider“ vergleiche Alpine Kultur, heimlicher Alpenfilm #18), verlegte das TV-Hospital hinter die denkmalgeschützte Monumentalfassade des ehemaligen Grand Hotel de l´Europe. Diese 115 Jahre alte Immobilie versprüht nach jahrelangem Leerstand heute auch in der Realität wieder auf einigen der zehn Etagen echtes Leben, mit Bars, Restaurants und Luxusapartments. Wenigstens in den Skiwintern.

Moretti alias Trotter trifft in der fiktiven Hightechklinik auf eine vollendet skrupellose Personnage rund um die Wissenschaftlerin Edmunda (Agata Buzek). Und kommt sich bald wie Goethes Zauberlehrling vor, weil erschreckend viele Mit-Chefs statt ihm selbst bestimmen, was in dem Krankenhaus passiert und was nicht. Wer verfolgt hier welches Ziel? Ein teuflisches Vabanquespiel nimmt seinen Lauf. Die Berge bleiben im Hintergrund – und spielen doch ihre große Rolle. Als heimliche Traumwelt, als vitaminöser Gegenentwurf zum mafiösen Fußballuniversum. Aus diesem Gefälle zwischen Idylle und Grauen bezieht die Serie ihren Thrill. Ganz wie die Wirklichkeit.

Text: Alexander Hosch

Das Netz – Prometheus; Regie Andreas Prochaska (Folgen 1-4) und sein Sohn Daniel (Folgen 5-8); mit zwei anderen Serien verzahnte Co-Koproduktion von MR-Film sowie ServusTV, ARD Degeto und Netz GmbH. Acht Folgen à 45 Minuten. Sofort in der ARD-Mediathek; TV-Ausstrahlung der ersten vier Folgen am 17. November (ARD), Teil fünf bis acht am 19. November, jeweils ab 20:15 Uhr.

Ins neue Kaiserbad

In Bad Gastein tut sich was. Seit Jahrzehnten lümmeln im Zentrum starre, leere Riesen herum – morbide Luxushotel-Karosserien aus längst vergangenen besseren Zeiten. Jetzt künden Plakate endlich neue Unterkünfte für eine neue Zeit an. Inzwischen  gibt es sogar eine gesperrte Orts-Durchfahrt und richtige Kräne an der Baustelle rund um das Ensemble aus Grand Hotel Straubinger, Alter Post und Badeschloss. Das Land Salzburg hat 2018 einige der maroden alten Paläste mit den Zuckerbäckerfassaden gekauft – um sie flugs an Investoren weiterzureichen, die das unvergleichliche Setting nun bis 2023 für sich und ihre Vier- bis Fünf-Sterne-Services nutzen wollen. Hotels, Bars, Gyms, Spas. Her damit.

Das Panorama ist aber auch wirklich unkopierbar. Eine tiefe Schneise für den berühmten Wasserfall hat die Natur hier geschlagen. Drumherum baut sich malerisch ein steinerner, aber auch irgendwie sehr versteinerter Ort der Belle Époque auf. Darunter scheint einem das lange Tal die Traumaussicht bis nach Hofgastein und Dorfgastein unter den Augen wegziehen zu wollen. Darüber türmen sich die höchsten Salzburger Tauerngipfel. Ganz und gar zauberhaft. Und immer noch so, als hätte man das alles hier in jener Ära vergessen, in der die radonhaltigen Wasserquellen entdeckt wurden. Damals kam das aristokratische Europa von St. Petersburg bis Madrid hierher.

Im – heute ungenutzten – Kongresshaus mit den Glaskuppeln sang und tanzte zu Silvester 1982 Liza Minelli. Der aktuelle Besitzer träumt für den denkmalgeschützten Bau von einer Seilbahnlinie – oder einem Alpen-Campus.

Wann wird Bad Gastein wieder komplett wachgeküsst sein? Mal sehen. 65 Millionen Euro wurden 2018/19 in eine neue Seilbahn zur Schlossalm und zur Hohen Scharte im benachbarten Hofgastein investiert. Ebenfalls mit immer neuen Gimmicks locken Felsentherme und Alpentherme. Bars, Hütten und Hotels rüsten unermüdlich für das Wunschpublikum der Zukunft auf: jung, solvent, kosmopolitisch, urban.

Ein kleiner Teil davon ist schon da. Einige Barbetreiber und Hoteliers, die Gastein längst als Wintersport-Destination der Zukunft entdeckt haben, kosten mit ihren Gästen aus aller Welt – allesamt Ski-Desperados – den Zauber dieses alten Kaiserbades der Sommerfrischler aus dem 19. Jahrhunderts schon seit zwanzig Jahren aus. Die Boutiquehotels Haus Hirt, Miramonte und Regina etwa haben früh erkannt, dass Bad Gastein reif für junge Erlebnishungrige ist. Deshalb kommen seither ein paar Hipster aus Berlin, Moskau, Kyiv, London, Amsterdam und Kopenhagen. Für die sprechen einige der Angestellten „only english, please“, was an einem normalen Ski-Nachmittag im März zwar ein wenig albern klingt, aber immerhin gut zum Lese-Angebot auf dem Coffeetable passt: Monocle, Wallpaper, Financial Times. Da will der Ort also hin. Gut so! Das Karma, die Speisekarten – Earl Grey Tea zu Marillen-Palatschinken – und die ersten chicen Interiors sind bereit dafür. So bereit.

Text und Fotos: Alexander Hosch

 

 

 

Tagespass Ski amadé Gastein (Hauptsaison):  63,50 €

Zum Saisonende: 59 €  (ab 19. März)

Bilder: Preimskirche, brutalistisches Kongresshaus von 1974, barocke Fassadendetails, Front und Interiors des Hotels Miramonte

Schöner sterben

Tote Bauwerke sind, solange sie gut aussehen, besser als jedes hässliche neue Archi-Nichts. Davon lebt der traumschöne Ski-Ort Bad Gastein im Salzburger Land prächtig. Berliner und andere westliche Hipster, Moskauer und andere östliche Oligarchen streifen seit Jahren wonnevoll durch eine Wintermärchen-Topografie aus kaiserlichen Kurparks, Wasserfällen und verlassenen Grand Hotels.

David Schalko ist bekannt als Braumeister österreichischer Gegenwartsdramen, in Bild und Schrift. Er legt nach der TV-Serie Braunschlag und dem Film Aufschneider mit Josef Hader jetzt Bad Regina vor – seinen dritten Roman. Der Ortsname ist erfunden, aber die Blaupause für die präzis aus Heilwasser, Zaubersanatorium, brutalistischem Kongresszentrum, Casino und Partymeile zusammengeprintete Touri-Idylle glaubt man zu kennen. In Schalkos literarischer Handlung sind zunächst die Architekturen die Stars. Der zarte Glamour ihres Verfalls puderzuckert eine Dorfwelt unter feschen Alpengipfeln. Nach und nach nimmt allerdings ein beachtliches Österreich-Bashing Fahrt auf.

„Der Österreicher war schon Nationalsozialist, bevor Hitler kam. In Österreich ist jeder ein Nazi. Acht Millionen Einzelfälle“, sagt einmal unvermittelt, aber geschliffen, der Intellektuelle unter den Dörflern. Auch sonst werden – im Gasthaus – immer wieder posttraumatische Bewirtungs-Störungen hinausgedonnert. Das ist der Schalko-Sound. Dazu wird eine Reihe ziemlich kaputter Ösi-Existenzen kredenzt. Monströs bösartige Scheinriesen. Oder unterwürfige Angsthasen, die sich zu allem zu klein fühlen. Das frühere Sex-Sekten-Mitglied Selma. Die irre alte Zesch. Der Vamp des Kaffs, Gerda. Ein frustrierter Ex-Clubbesitzer, Othmar, der mit dem Bürgermeister Heimo, dem abgetakelten Adligen Wegenstein und vierzig anderen letzten Bewohnern der Fast-Geisterstadt tief im Felsgestein Seltsames erlebt. Genüsslich fuhrwerkt der Autor in diesem Setting herum und lässt seine Personnage – als Trauma-Raumschiff Österreich – durch Bad Regina irren. Über einen „Chinesen“, der nach und nach alle Häuser aufkauft, dringen dann aktuelle Zukunftsängste herein. Was will der böse Fremde nur?

Ist das wirklich ein Roman?, fragt sich der Leser zuweilen, wenn der Text wie beiläufig Aphorismen ausspuckt, die nach Serien-Cliffhangers klingen. Oder wenn der Schriftsteller nahtlos Kammerspiel-Dialoge à la Burgtheater in die Prosa streut. Hasst Schalko seine Heimat? Möchte er der nächste Thomas Bernhard werden? Ist er es schon? Am kurzweiligsten liest sich Bad Regina überall da, wo mit schickem Namenszauber die Leser und Themen von heute abgeholt werden. Es gibt das Hotel Waldhaus, das Beisel Luziwuzi, den tief im Unterbewusstsein weiter rumorenden 90er-Jahre-Felsenclub Kraken, den gedächtnislos dahinvegetierenden Ex-DJ Alpha X aus Manchester und einen Dorfpolizisten, der den Transvestiten Petzi liebt. Skurril.

An manchen Stellen ist das 400-Seiten-Werk etwas langatmig, da wird zu genau erklärt, es treten zu viele Charaktere mit Eigenheiten auf, die man längst vergessen hat, wenn sie das nächste Mal auftauchen. Dann stockt das Lesevergnügen etwas. Aber der Roman findet ein feines Ende, in dem stimmig und in eleganter Sprache alles aufgelöst wird. Am besten ist es, sich vorzustellen, dass Schalko hier eigentlich gleich ein Filmskript vorgelegt hat. Der Regisseur Wes Anderson mag 2014 im oscarprämierten Arthousefilm Grand Budapest Hotel schon die zauberschönsten Bilder aller Zeiten für den Kult des aparten Verfalls gefunden haben.

Aber sei´s drum. Jetzt will man so schnell wie möglich den abgründigen Humor der grotesken Dorfkamarilla aus Bad Regina auf einem Bildschirm sehen.         Text und Foto:  Alexander Hosch

David Schalko, Bad Regina, 2021 (3. Auflage), Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-05330-2, 24 Euro.

Sportgastein

 

Immer wenn das Frühjahr kommt,  lockt mich Sportgastein. Dann ist es warm, die Sonne scheint, der Schnee passt da oben, auf fast 3000 m, auch. Auf dem Kreuzkogel gibt es neben dem Blick aufs Tauerngebirge dann noch eine wunderbare Erinnerung an die Zukunft von Gestern: Die Gipfelkugel aus Metall des Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer aus dem Jahr 1972. Sie ist eines der letzten  Überbleibsel einer visionären Zeit im Gasteinertal.

Ostern würde ich am liebsten gleich nochmal vorbei schauen!

Text und Fotos: Sabine Berthold

Mehr Infos über die Kugel hier: Alexander Hosch, Winzig Alpin, Innovative Architektur im Mini-Format, 2018, DVA Randomhouse

https://www.randomhouse.de/Buch/Winzig-alpin/Alexander-Hosch/DVA-Bildband/e533604.rhd

 

Der Halbkugelpalast von Bad Gastein

Selbst die aktuellen Schneemassen können es nicht verbergen: Dieser Halbkugelpalast wartet nur noch auf Dornröschens Erweckungskuss. Unter dem ehemaligen Grand Hotel de l´Europe, das jetzt Ferienwohnungen und einen Gourmetfeiertempel namens Ginger & Gin beherbergt, wölbt sich im hochgelegenen Zentrum von Bad Gastein eine vierteilige Metallruine des 2016 verstorbenen Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer über der Kulisse zersprungener Fensterscheiben und eines derangierten Interieurs. Hier könnte einst in der 1970er Jahren der ultimative Krieg der Sterne unter Discokugeln stattgefunden haben – doch irgendwann verlor die silbern-gläserne Lustarchitektur ihre Star Wars gegen den traditionellen Geschmack. Ewig schade drum, sie verkam. Aber was für eine Clublocation, noch immer! Sie könnte neu erstehen. Zur Zigarette draußen vor der Bar hätten die Nacht-Hipsters von heute dann den freisten aller Blicke übers ganze weite Gasteinertal.

Bad Gastein, das Kurbad des letzten österreichischen Kaisers, hat eine harte Zeit hinter sich. Riesige alte Hotelriegel aus der Epoche der vorletzten Jahrhundertwende kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Fluch ihrer gigantischen Größe, gegen eine zu geringe Auslastung und gegen ihre angejahrten Spalandschaften. Selbst die paradiesische Steillage des Ortes mit der Felsentherme konnte diesen Schiefstand am Ende kaum noch richten. Doch nun kommen die Gäste wieder, die Umkehr ist geschafft. Junge Bar-Lokale wie „Kraftwerk“und hippe Hotels wie „Haus Hirt“ und „Miramonte“ glänzen mit smarten Konzepten in einer neuen Skiwelt. Denn Skihütten der jüngsten Art wie die „Rossalm“ und die „Weitmoserin“ umgarnen neuerdings auch die biodynamisch gewendete Kundschaft. Und in dem nur 9 km entfernten kleineren Kurort Bad Hofgastein gibt es seit ein paar Wochen einen todschicken Skibusbahnhof mit schrägen Pfeilern sowie eine orange leuchtende neue Gipfelseilbahn zur Schlossalm. Am 20. Januar wird sie offiziell eingeweiht. Die leibhaftigen Fantastischen Vier werden dann im Skischaukelzirkus hiphoppen und die nagelneue Direktroute auf die Hohe Scharte zuwummern: Von da oben lockt ein 12-Kilometer-Pisten-Ritt – die längste Skiabfahrt des Salzburger Landes.

Jetzt fehlt wirklich nur noch die Wiederkunft des Halbkugelpalasts.

Text und Fotos: Alexander Hosch

 

 

 

 

Ski  amadé: Tageskarte 54 €;  gute Kinder- u. Jugendtarife an Wochenenden