Die drei Türme von Grenoble

#10    Und schon wieder dran vorbei gefahren! Entlang der Alpen-Magistralen gibt es überraschende neue Architekturen. Und schöne ältere Bauten, die jeder zu kennen glaubt, obwohl kaum einer je dort angehalten hat. Wir haben sie besucht.

Objekt  Les 3 tours / Ort  Île Verte, F-Grenoble /  Koordinaten  45°11.867’ N 5°44.283’ O / Bauzeit  1963-67 / Bau-Grund  Grenoble muss moderner werden!  / Aktuelle Nutzung  Wohnungen / Öffnungszeiten  Privat; man kann natürlich mal die Tür einfangen, wenn einer rausgeht ! / Schönster Augenblick  Wenn man auf der Autobahn 41 aus Albertville drauf zufährt, glitzern bunte Mosaike und die Licht-und-Schatten-Spiele der Wohnwaben.

  Warum man immer dran vorbeifährt…   Die Türme sind ja schön und besonders, aber man muss doch so dringend auf die Route Napoléon weiter, die einen in den sonnigen Süden bis nach Cannes führt…!

Weshalb man nächstes Mal unbedingt hin muss!   Es handelt sich zwar nicht um das Olympische Dorf – aber Grenoble war eindeutig mitten im Aufbruch. Als 1968 die Olympischen Winterspiele in die Hauptstadt der französischen Alpen kamen, standen „Les 3 tours“ (Die drei Türme) schon, vollzogen in einem sehr couragierten Stil. Jeder Turm hat 33 Stockwerke, davon 28 Wohnetagen mit insgesamt 504 Appartements. Sie wuchsen auf je 98 Meter hoch und waren damit eine Zeit lang Europas höchste Wohnbauten. Die Frage, ob Hochhäuser überhaupt in die Alpen gehören, wurde damals unter Stadtplanern heiß diskutiert. Manche argumentierten, dass so der Flächenfraß im Gebirge reduziert werden könne. Andere hoben das tolle Panorama für die Bewohner hervor. Den Gegnern war indes die stete Sicht auf übergroße Bauwerke suspekt, die dann quasi mit den Bergen konkurrieren. Grenoble aber war sich sicher: Also wurde die emblematische Wohnanlage der Architekten Roger Anger und Pierre Puccinelli nahe der City, auf der grünen Halbinsel in einer Schleife des Flusses Isère, gewagt. Zum Glück: Die monumentalen Mosaike des Designbüros L’Œuf centre d’études schmücken noch heute die Fassaden der Türme, die wie Bergmassive heißen – Tour Vercors, Tour Mont Blanc, Tour Belledonne. Der Grundriss beschreibt im Erdgeschoss elliptische Ringe. Auf dem Weg nach oben gehen sie in diamantförmige Etagen über, eine sehr anspruchsvolle Architektur. So verleiht das unübersehbare Trio dem Talkessel von  Grenoble seine markante Silhouette. Architekt Anger (1923-2008) wurde wenig später weltberühmt: Weil er in Indien die goldene Reißbrettstadt Auroville plante und baute.

Wie man hinkommt Am Ende der A 41 Richtung Stadtmitte fahren, zunächst gerade auf die Türme zu und auf die Avenue du Verdun biegen. Nach rechts auf den Boulevard de Chantourne, und entlang des Isère bis zur Brücke Pont de l´Ile Verte. Diese überqueren.

Text und Fotos:  Alexander Hosch